biblio: WTC-Anschlag - ein literarischer Versuch ...

Arno C. Hofer arno.hofer at stmk.gv.at
Fr Sep 14 10:19:54 CEST 2001


Sehr geehrte Damen und Herrn, liebe Freunde!

Ich möchte Ihnen/Dir auf diesem Wege eine kleine spielhistorische Studie
übermitteln und Ihnen/Dir, abseits der Tagesereignisse und "ungeerdet" meine
Theorien über das "kultische Spiel", die "Spielkultur" zugänglich machen.
Eine Diskussion würde mich freuen. Wenn jemand diesen literarischen Text auf
seine WEB-Seite stellen will so erteile ich hiermit meine ausdrückliche
Erlaubnis. Sollte jemand Zugang zu einer Print-Redaktion haben, die den Text
veröffentlichen will, so bitte ich bezüglich der rechte mit mir Kontakt
aufzunehmen.

Hoffentlich kann dieser Beitrag dem "Frieden eine Chance" geben. Denn nicht
wäre jetzt unproduktiver als ein "Krieg", womöglich ein "globaler Krieg".
Oder brauchen wir diese Reinigung, diese Apokalypse, ähnlich wie dereinst
die Sintflut oder den Kreuzestod Christi?

Arno C. Hofer


Die WTC-Attacke – spielhistorisch beleuchtet.
Von Arno C. Hofer.

Geschockt und betroffen schaut die Welt auf Trümmer- und Gräberfelder in
NewYork, Washington und Pennsylvania. Dort wo vor wenigen Tagen noch
pulsierendes, überbordendes „Leben“ – bessergesagt „Treiben“ herrschte wurde
durch nahezu unvorstellbare Realisierung von Sience-Fiction-Filmsequenzen
der Traumfabriken von Hollywood eine ganze „Welt“ ausgelöscht. Irgendwie ist
dieser 11. September 2001 wie der „Jüngste Tag“ der Apokalypse, ein
Weltbeben unvorstellbaren Ausmaßes, so unvermittelt, so unfassbar, so
irreal. Ein „kultisches Spiel“ hat alle unsere Erwartungen übertroffen, Tod,
Elend, Seuchengefahr und das Ende eines langen Traumes über das „Land der
(scheinbar) unbegrenzten Möglichkeiten“ gebracht, dem nahezu die ganze Welt
via Fernsehen live und fassungslos zusah. Alle bisher geltenden Werte,
Gesetze, Vereinbarungen, Strategien, Sicherheiten wurden schwer getroffen –
zerbröseln zu Staub. Es wird schwer werden, wieder zu einer bekannten – zwar
nicht unbedingt geliebten aber doch vertrauten – Tagesordnung
zurückzukehren. Irgendwie ist eine doch so stabil scheinende und in Wahrheit
so fragile, vom Menschen geschaffene, Welt eingestürzt. Sind diese
Attentäter Werkzeuge Gottes, des Satans oder doch nur eines globalen
menschlichen Mitspielers, dem die Art des „american ways of life“ nicht
gefällt?

Womit wir beim Thema wären: Spiel. Kultisches Spiel. Spielkultur.
Säkularisierung des Spiels. Determination oder Freiheit. Realität oder
Fiktion. Das Leben ein Spiel? Jede Entscheidung eine Spielentscheidung,
jedes Handeln spielentscheidend?

Spiel, so sagt man, ist, in seinen höheren Formen, die erste Kulturtechnik
des Menschen. Und es begleitet uns in diesen Formen sowohl seit der
Sesshaftwerdung, den ersten Stadt- und Staatsgründungen bis herauf durch die
ganze Menschheitsgeschichte, wie auch jede/n einzelne/n von uns von der
Wiege bis zur Bahre durch die gesamte persönliche Lebensgeschichte.

Während uns die erste Kategorie des Spiels, die sg. „Spiele der Fähigkeiten
und Fertigkeiten“ noch ganz mit der Urzeit und unserer tierischen Natur
verbindet (es eignen sich sowohl junge Tiere als auch kleine Kinder
„spielerisch“ (Überlebens-)Fähigkeiten wie auch Lebens-Fertigkeiten an) hebt
uns die zweite Kategorie von Spiel, die „Spiele des Schicksals“ schon aus
dem Tierreich heraus bzw. macht uns zum höchstentwickelten Tier. Nun:
„Spiele des Schicksals“ haben aber noch kein Bewusstsein zur Voraussetzung,
sondern nur die Erkenntnis, dass es noch etwas größeres, unsichtbares geben
muss, dass die Geschicke der Welt lenkt und dass wir, jede/r an ihrem/seinen
Platz Werkzeuge(!) dieses/r „Gottes/Götter“ sind, die uns mit „Glück“
belohnen und mit „Unglück“ oder „Pech“ bestrafen. Wir sind „Spielball“ der
Götter oder Gottes. Als Stellvertreter dieser Götter/Gottes auf Erden treten
Priester, Könige und Adelige auf den Plan, die „göttliche Gesetze“ erlassen,
die Menschen führen und ihnen die symbolischen Spiele beibringen, bei denen
es „kein Entrinnen aus dem Schicksal gibt“ – der Würfel oder die Karte wird
uns dafür als Symbol des Schicksals in die Hand gegeben. Sehr, sehr lang
wird der Mensch in dieser „deterministischen“ Situation verharren (müssen),
denn diese Spiele vermitteln kein „Selbst – bewusst – Sein“ sondern die
totale Abhängigkeit von einem von selbst ablaufenden „Lebensplan für jede/n
einzelne/n, oftmals mit der „Bedrohung der Wiedergeburt als niedrigeres
Lebewesen“. Welch ungeheure Kraft aber von solchen Spielen ausgeht sei an
einem positiven Beispiel demonstriert, dem heutigen „Mensch ärgere dich
nicht (Mädn)“ dessen Bedeutungswandel Ihnen bal wie Schuppen von den Augen
fallen wird. Mädn beruht auf einem indischen Spiel, „Pachisi“ genannt, das
auch noch Parallelen zu einem Maya-Spiel und einem indonesischen Spiel
aufweist: Beim Pachisi startet man noch heute in der Mitte des Kreuzes, dem
Zentrum. Mit vier Spielsteinen, die die vier Wesenheiten = Alter des
Menschen symbolisieren (König = Kind, Krieger = junger Mann, Magier =
Erwachsener, Liebender = weiser Alter)  die aus dem Zentrum „geboren werden
“, die vier Himmelsrichtungen (Symbole für Junger Mann, junge Frau, alter
Mann, alte Frau) vorwärts und zurück schicksals(= würfel)gesteuert
durchschreiten um irgendwann dann, androgyn wieder ins Zentrum (= Nirwana)
zurückkommen und vom irdischen Dasein erlöst sind. Sollte man unterwegs mit
einer Wesenheit „aus der Bahn geworfen werden“ hat man die Möglichkeit unter
bestimmten schicksals(= würfel)bestimmten Umständen mit dieser Wesenheit im
Zentrum wiedergeboren zu werden. Es ging also nicht darum als erste/r im
Ziel zu sein, jemanden hinauszuschmeißen und darüber schadenfroh zu sein
sondern in erster Linie um Meditation und in zweiter wahrscheinlich um
„Orakel“ (wie verläuft mein Leben?). Ganz andere Qualitäten als unser
säkularisiertes „Mädn“, nicht wahr, aber nur im Kontext mit der indischen
Philosophie verständlich (in der archaischen Symbolik aber wahrscheinlich
unbewusst wirkend, denn ich habe viele Menschen erlebt, die, obwohl der
erste schon „gewonnen“ hatte fertigspielen wollten, bis auch sie alle
Figuren im Ziel hatten ... Übrigens: hier waren schon einige „beschränkte“
eigen-strategische Möglichkeiten  vorgesehen, die einem aber nur dann
„zufielen“, wenn man sie erstens bemerkt hat und zweitens auch nützen
konnte. Man konnte auf Burgen flüchten, sich mit einer anderen Wesenheit
treffen und somit unverwundbar werden, jemanden aus der Bahn werfen, usw.
Meistens war man aber mehreren (schicksalhaften) Bedrohungen gleichzeitig
ausgesetzt und musste sich für’s kleinste Übel entscheiden. Ziel des Spiels
war: überhaupt das Ziel der Erlösung zu erreichen – wann und an welcher
Stelle war nebensächlich. Übrigens von hier könnte der Spruch stammen: „Wer
früher erlöst ist (früher stirbt) ist länger tot.“

Der heutige Mensch verharrt von dem Zeitpunkt da er Regelspiele überhaupt
spielen kann (in der Regel ab dem 5. Lebensjahr) bis zu seinem 11./12.
Lebensjahr in dieser Phase des „Spiels der „Spiele des Schicksals“ aber
damit auch der „Abhängigkeit“: Eltern, ältere Geschwister, LehrerInnen,
Jugendschutzgesetze, Jugendleiter, etc. bilden jenes Netzwerk von „Schicksal
“, das im Normalfall einer westlichen Werteordnung zu einer Sozialisierung
des jungen Menschen (Kindes) beiträgt. Natürlich werden auch in dieser Zeit
noch weitere Fähigkeiten und Fertigkeiten ausgebildet, manchmal aber auch
schon nur mehr „spielerisch“ trainiert. In diesem Alter können junge
Menschen von sich aus fast noch keine eigenen Entscheidungen treffen –
außer: sie sind schon sehr früh „alleingelassen“ und müssen den
„Entwicklungs-prozess“ (nach meiner Theorie aber eher den
Verwicklungsprozess) beschleunigen. Das ist nicht gesund. Weder für das Kind
(den jungen Menschen) noch für die Gesellschaft.

Denn die Zeit der Pubertät ist eine ganz besondere, die erst heutzutage – in
unserer aufgeklärten, säkularisierten Welt – wirklich genutzt werden könnte.
Es beginnt der Ablöseprozess vom Schicksal, die experimentelle
Selbstbestimmung, das Ausloten von Grenzen, etc.: der Machtausgleich wird
versucht ... In den alten Gesellschaften, in denen eine Lebenszeit von 40
Jahren schon enorm lang war, ging’s von der Jugend sehr schnell ins
Erwachsenenleben, in neue Abhängigkeiten. Da war der Kriegsdienst einerseits
oder die Systemerhaltung andererseits gefragt. 15./16.-jährige wurden
verheiratet um Kinder in die Welt zu setzen und diese zu versorgen.

An dieser Stelle vorerst zurück zum Spiel: wir haben die „Spiele der
Fähigkeiten und Fertigkeiten“ als Klein-Kinderspiele und Kinderspiele
kennengelernt. Aber auch im Jugendlichen- und Erwachsenenalter spielen sie
eine Rolle (Memory, Quiz, Breitensport, von den neueren z.B. „Jenga“) – als
Trainingsmethoden um geistig und körperlich „beweglich zu bleiben“ ... die
„Spiele des Schicksals“ haben wir als Kinder- und frühe Jugendlichenspiele
erkannt: Gänsespiel, Schlangen und Leitern, von den neueren z.B. „Hugo“.
Fehlt uns nur noch die „Königsklasse“ des Spiels: die „Spiele der Strategie
“. Diese waren bis zur bürgerlichen Revolution den Stellvertretern der
Göteer/Gottes, dem Adel und dem Klerus „vorbehalten“, denn mit Ihnen konnte
man „Erfahrungen machen und Erkenntnisse gewinnen“ und „Schicksal machen“.
In diesen Spielen finden wir keine Würfel mehr und auch keine Karten. Das
Schicksal war die Person, die spielt! Klar ablesbar am Schach. Plötzlich
wird auch „Siegen“ wichtig! Der Mensch hat das Paradies verlassen und
schwingt sich zu göttlicher Größe auf, die in Besitz und Macht gemessen
wird. Und diese geistlichen und weltlichen Führer spielten diese Spiele auch
live – nicht nur symbolisch. Sie befahlen Krieg und es ward Krieg. Sie
schlossen Frieden und es ward Frieden ... Diese „Spiele der Strategie“
spielen heute in der westlichen Welt Manager, Militärs und Politiker –
meistens hoch gebildete oder über andere „Qualitäten“ (Geld, Macht, Besitz)
in diese Positionen gekommene Personen. Und auch sie spielen diese Spiele
live – nicht nur symbolisch. Sie sagen Personalreduktion und es ist
Personalreduktion. Sie sagen Angebotserweiterung und es ist
Angebotserweiterung. Nur – in der westlichen, pseudochristlichen und durch
zahlreiche Revolutionen und Evolutionen demokratisch filternden Zivilisation
nicht mehr ganz so apodiktisch wie im Absolutismus. Dem Volk bleiben nach
wie vor die „Spiele des Schicksals“, ja diese wurden und werden zum
Machterhalt als „Brot und Spiele“ missbraucht (Lotto, Bingo, Toto, Fußball,
Formel 1, etc.) aber wir haben in dieser nach unseren Begriffen „modernen
Zivilisation“ auch Spielformen geschaffen, um die Pubertät, das
Hineinwachsen in die Gesellschaft symbolisch „vor“ – oder nachspielen zu
können. Diese Spiele werden vor allem im deutschen Sprachraum von vielen
Menschen „mittlerer Klasse“ gespielt und enthalten Elemente aus den drei
vorgenannten Kategorien. Da finden sich Elemente der Fähigkeiten und
Fertigkeiten genauso, wie Würfel und Karten und viele strategische Anteile.
Erfahrungen und Erkenntnisse werden für viele Menschen möglich und der eine
oder die andere (denn erstmals dürfen auch Frauen uneingeschränkt spielen)
schafft „spielend“ den gesellschaftlichen Aufstieg – manchen aber wird die
Spielsucht zum Verhängnis.

Damit sind wir wieder beim Anfang dieses Artikels. Mag Gott/die Götter,
Satan oder doch nur ein strategisch hochbegabter, daher in seinem Umfeld
göttlicher „menschlicher“ Mitspieler diese Art des Spiels nicht, dessen sich
die westliche Welt befleißigt? Einer, der die bösen Symbole wegräumen will
um ihren Spuk zu bannen? Einer, der den auf Grund der großen Erfahrungen und
Erkenntnisse möglich gewordenen Kolonialismus, das Besetzen wichtiger
strategischer Punkte, die Ausbeutung der Welt durch 10% ihrer Bevölkerung
auf Kosten von 90% der Bevölkerung, das Herren-(=Weltpolizisten)Gehabe
eines Volkes, das gefühllose Wegschauen reicher Nationen und Kontinente bei
ständigen Hungersnöten und irrelevanten kriegerischen Auseinandersetzungen,
Seuchen, etc. hasst und diesen Hass ganz leicht an - noch immer -
determinierte Personen, die sich als Werkzeuge Gottes fühlen, weitergeben
kann, die in der Lage sind ein „Spiel des Schicksals“ auch real, nicht nur
symbolisch zu spielen. Geführt von ihrem strategischen Gott, der „siegen
will“. Und sie handeln oftmals im Namen Gottes und der Weissagungen über
bestimmte Zeiten. Haben Europa und Amerika vor ein paar Jahrhunderten nicht
das selbe „Schicksalsspiel“ im Namen des Kreuzes im Nahen Osten, in
Südamerika und zuletzt auch in Nordamerika gespielt. Hatten nicht alle
bisherigen Kriege und Konflikte vorwiegend wirtschaftliche oder religiöse
Begründungen?

Okay, ein neues Kapitel der strategischen Spiele ist aufgeschlagen worden
(eigentlich gar nicht so neu: der Schwächere muß sich bessere Strategien
überlegen um den stärkeren besiegen zu können – David hatte seine
Steinschleuder gegen Goliath, Odysseus das Trojanische Pferd): aber
plötzlich ist die gesamte Welt Spielfeld geworden. Für ein Live-Spiel und
auch virtuelles Live-Schauspiel, in dem die Menschen, die sich an den
„Spielen des Schicksals“ bis jetzt delektieren durften, wieder zu
Spielfiguren werden. Man kann sich als Stratege auch der Spielfiguren der
anderen bedienen. Nicht selbst-bestimmt sondern strategisch geführt von
adligen bzw. „demokratisch gewählten“ Göttern. Der Sturm der Veränderungen
wird über uns hinwegbrausen. Manche werden Windmühlen errichten um die
Energie zu nutzen, andere werden Mauern bauen. Und hoffentlich nicht allzu
viele werden auf der Strecke bleiben.

Welcher „Gott“ schließlich die Oberhand gewinnen wird oder ob die Partie
„Patt“ ausgeht wird am Schicksal hängen, dass der echte Gott für uns
vorgesehen hat. Oder, das wir uns selbst machen.









Mehr Informationen über die Mailingliste biblio-forum