biblio: Gerhard Amanshauser
Elisabeth Zehetmayer
elisabeth.zehetmayer at biblio.at
Mo Sep 4 10:24:59 CEST 2006
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich darf zum Ableben des Schriftstellers Gerhard Amanshauser folgenden
informativen Text von Mag. Nadine Ratzenberger weiterleiten:
GERHARD AMANSHAUSER
2. Jänner 1928 2. September 2006
Am Samstagnachmittag um 17.05 ging am Salzburger Festungsberg das Leben des
bekannten Österreichischen Schriftstellers Gerhard Amanshauser zu Ende. 1928
wurde er in eben diesem Haus geboren, in dem er nun an den Folgen seiner
Parkinson-Erkrankung starb: friedlich und ohne Schmerzen.
Gerhard Amanshauser war der selbst gewählte Außenseiter einer Schriftsteller-
Generation um H.C. Artmann und Thomas Bernhard, mit denen er befreundet war.
Mit ihnen verband ihn die Skepsis und Radikalität in der Betrachtung der
Gesellschaft. Selbst war er noch als 17-jähriger in den Krieg geschickt worden, später
betrachtete er alle politischen Systeme mit Vorbehalten, und seiner Elterngeneration
verzieh er den Nationalsozialismus nie. Er beschloss, für jene Menschen, die so
etwas getan hatten, keinen Finger zu rühren und verweigerte sich konsequent der
Mitarbeit am darauf folgenden Wirtschaftswunder.
Wem ist es schon vergönnt, die Welt seiner Eltern in Trümmern zu sehen?,
beschrieb er den triumphalen Freiheitsrausch des Jahres 1945 in seiner
Autobiographie der Jugend, Als Barbar im Prater (2001, Residenz Verlag), die von
Wendelin Schmidt-Dengler als eine der wichtigsten Biografien im
Nachkriegsösterreich bezeichnet wurde. Auch in der Residenz-Sammlung zur
Österreichischen Gegenwartsliteratur Landvermessung ist dieses Buch vertreten.
Gerhard Amanshauser studierte Technik, Germanistik und Anglistik in Wien und
Marburg an der Lahn, seit 1955 arbeitete er als freiberuflicher Schriftsteller. In den
Siebziger Jahren wurde er durch Bücher wie Schloss mit späten Gästen, Roman
(1975, Residenz Verlag) bekannt. Er verließ den Residenz Verlag ein halbes
Jahrzehnt später wegen Unstimmigkeiten, ehe ihn Martina Schmidt 2001 wieder
zurückholte.
Zeitlebens blieb Amanshauser ein scharfsichtiger und ungemütlicher Kritiker der
Gesellschaft, kommentierte sie mit satirischen und parodistischen Mitteln.
Ohrenwurst aus Österreich heißt seine Satirensammlung (2002, Bibliothek der
Provinz). Die ironische Distanz durchzieht sein Werk ebenso wie der exakte Blick des
Naturwissenschaftlers und sein Interesse für Asien, hier besonders für China. Das
Schreiben dicker Romane überließ er den Kollegen, er wurde zu einem Meister der
kleinen Form. So überwiegen kurze, philosophische Texte und prägnante
Beobachtungen in seinem Gesamtwerk.
Dieses wird seit einem Jahrzehnt von der Bibliothek der ProvinzStück für Stück neu
aufgelegt: Zu seinen populärsten Büchern zählen das Terrassenbuch (Neuauflage
1999) und das Mansardenbuch (1999). Einen repräsentativen Ausschnitt aus
seinem Werk enthält das Lesebuch Entlarvung der flüchtig skizzierten Herren
(Residenz Verlag 2003).
In den letzten Jahren hatte er sich aus dem gesellschaftlichen Leben noch weiter
zurückgezogen. Nun setzte aber ein künstlerisches Revival ein Gerhard
Amanshauser wurde neu entdeckt. Von Daniel Kehlmann wurde er als bedeutendster
unter Österreichs unenetdeckten Autoren bezeichnet, die Jungfilmer Bernhard
Braunstein und David Gross drehten den Doku-Film Reisen im eigenen Zimmer
(2006), der auf der diesjährigen Diagonale in Graz eine lobende Erwähnung bekam.
Mit Gerhard Amanshauser hat nicht nur ein wichtiger Schriftsteller diese Welt
verlassen, sondern auch ein Mensch, der über sich selbst scherzen konnte. Es soll
bereits vorgekommen sein, dass ein Dichter verschwindet, schrieb er 2003. Wenn
das der Fall ist, bleiben oft Texte übrig, die man nicht exakt einordnen kann. Sie
werden als Fransen bezeichnet. Daraus ergab sich eine seiner grundsätzlichen
Fragen: Soll man arbeiten für eine Welt, die ohnehin zerfranst? (aus:
Fransenbuch)
Rezensionen zu Büchern von Gerhard Amanshauser finden sich bei Rezensionen
online unter:
http://makeashorterlink.com/?T1B3151BD
Gerhard Amanshauser im Residenz Verlag
Aktuelle Bücher:
Als Barbar im Prater, Autobiographie einer Jugend (2001)
Entlarvung der flüchtig skizzierten Herren, Lesebuch mit CD (2003)
Gerhard Amanshauser Gesamt-Bibliographie
Aus dem Leben der Quaden, Eine Satire (1968, Neuauflage 1998)*
Der Deserteur, Erzählungen (1970)
Satz und Gegensatz, Essays (1972, Neuauflage 2006)*
Ärgernisse eines Zauberers, Satiren und Marginalien (1973)
Schloß mit Späten Gästen, Satirischer Roman (1975, Neuauflage 1996)*
Grenzen, Aufzeichnungen (1977)
Aufzeichnungen einer Sonde, Parodien (1979, Neuauflage 1997)*
List der Illusionen, Bemerkungen (1985, Neuauflage 2001)*
Gedichte (1986)
Fahrt zur Verbotenen Stadt, Satiren und Capriccios (1987)
Der Ohne-Namen-See, Chinesische Impressionen (1988)
Moloch Horridus, Aufzeichnungen (1989, Neuauflage 2001)*
Lektüre, Aufzeichnungen (1991)
Das Erschlagen von Stechmücken, Verstiegene Geschichten (1993)
Gegen-Sätze, Ein Lesebuch (1993)
Tische, Stühle & Bierseidel, Vorträge (1997)*
Artistengepäck, Erzählungen (1998)*
Mansardenbuch (1999)*
Terrassenbuch (1999)*
Der Sprung ins Dritte Jahrtausend (1999/2000, gemeinsam mit Martin Amanshauser)*
Als Barbar im Prater, Autobiographie einer Jugend (2001) **
Ohrenwurst aus Österreich, Satiren (2002)*
Der rote Mann wird eingeschneit, Bilderbuch (2002)*
Entlarvung der flüchtig skizzierten Herren, Lesebuch mit CD (2003) **
Fransenbuch (2003)*
Die taoistische Powidlstimmung der Österreicher, Briefwechsel 1956-1987 mit
Hermann Hakel (2005)*
* Lieferbar im Verlag Bibliothek der Provinz,
verlag at bibliothekderprovinz.at
** Lieferbar im Residenz Verlag
www.residenzverlag.at
Schönen Bücherherbst wünscht aus dem Bibliothekswerk
Elisabeth Zehetmayer
.
--------------------------------------------------------
www.rezensionen.at : der literaturpool
--------------------------------------------------------
österreichisches bibliothekswerk
das forum katholischer bibliotheken
elisabethstr. 10 A 5020 salzburg
+43/ 662 / 8818 66 www.biblio.at
.
Mehr Informationen über die Mailingliste biblio-forum