biblio: Offener Brief Bibliothekswesen / KRIBIBI
Nikolaus Hamann
nikolaus.hamann at gmx.at
So Jun 24 12:22:33 CEST 2012
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Offener Brief
des Arbeitskreises kritischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare
(KRIBIBI)
an die Abgeordneten zum österreichischen Nationalrat
23.06.2012
Betreff: Öffentliche Büchereien und Wissenschaftliche
Bibliotheken gemeinsam regeln
Sehr geehrte Frau Abgeordnete!
Sehr geehrter Herr Abgeordneter!
Für BibliothekarInnen ist es natürlich sehr erfreulich zu
lesen, dass am 21. Juni „die Frage der Zukunft des österreichischen
Büchereiwesens“ im Mittelpunkt einer aktuellen Aussprache im
Kulturausschuss des Nationalrates stand – aber leider nur die
Öffentlichen Büchereien. Da gibt es nämlich einen – „von
Tisch und Bett“ getrennten – Partner, den Bereich der
Wissenschaftlichen Bibliotheken, und diese beiden strikt separierten Teile
gehören unserer Meinung nach zusammengeführt, wie dies in Europa und
international üblich ist.
In der Tat aber bedarf das österreichische öffentliche
Büchereiwesen besonderer Zuwendung, denn seine Situation ist extrem
unerfreulich: „In nur 45% der Gemeinden gebe es ein Angebot an
Öffentlichen Büchereien“, zitiert die APA Mag. Gerald Leitner, den
Geschäftsführer des Büchereiverbandes Österreichs (BVÖ). Mehr als 80%
dieser Büchereien werden ehrenamtlich betreut, die Öffnungszeiten sind
daher entsprechend gering. 82% dieser Büchereien sind kleiner als 100m2,
was auch nur kleine Bestände zulässt. Die vorwiegend ehrenamtliche
Betreuung ist aber weder im Interesse der Bevölkerung, die einen Anspruch
auf ordentliche Informations- und Literaturversorgung hat, noch ein Wunsch
der unbezahlt arbeitenden MitarbeiterInnen. Wie die Antworten auf eine
unlängst durchgeführte Befragung des Arbeitskreises kritischer
Bibliothekarinnen und Bibliothekare (KRIBIBI / www.kribibi.at) ergaben,
wünschen sich mehr als 90% der ehrenamtlich arbeitenden BibliothekarInnen
an öffentlichen Büchereien einen bezahlten Arbeitsplatz in der
Bibliothek. Die Mär von der Freiwilligkeit der Ehrenamtlichen lässt sich
daher nicht länger aufrecht erhalten – die Ehrenamtlichen haben
einfach keine andere Wahl!
Mit einer Politik der kleinen Schritte, wie sie
Unterrichtsministerin Dr. Claudia Schmied im Sinn hat
(„Implementierung eines effizienten Steuerungssystems, Fördergesetz
als Kofinanzierungsinstrument“) wird es also nicht getan sein. Das
Bibliothekswesen muss als Ganzes betrachtet werden, ein gemeinsames
Bibliothekengesetz muss u.a. klare Aufgabenbeschreibungen, Zuständigkeiten
und Durchlässigkeit des Systems festschreiben. Dafür aber kann der BVÖ
nicht alleiniger Gesprächspartner der Politik sein, der ja die Interessen
nur der Träger der Öffentlichen Büchereien vertritt. Im Bereich der
Wissenschaftlichen Bibliotheken wäre die Vereinigung österreichischer
Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB /
www.univie.ac.at/voeb/voeb/leitbild/ ) der geeignete Ansprechpartner. Der
Arbeitskreis KRIBIBI ist die einzige Gruppe in Österreich, die beide
Hälften des österreichischen Bibliothekswesens im Blickfeld hat und schon
viele Jahre für deren Vereinigung eintritt.
In der Realität haben sich die Aufgabenbereiche von
öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken längst angenähert;
wissenschaftliche Bibliotheken haben sich geöffnet und führen
Veranstaltungen durch, große öffentliche Büchereien haben sich
Sachbuchbestände zugelegt, die denen der wissenschaftlichen Bibliotheken
kaum mehr nachstehen (wie z.B. die vielen bei den Büchereien Wien
entlehnenden StudentInnen beweisen). Und es gibt auch gemeinsame
Ausbildungslehrgänge.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wir als VertreterInnen
des Arbeitskreises KRIBIBI ersuchen Sie eindringlich, sich für eine große
Lösung der Probleme des österreichischen Bibliothekswesens einzusetzen
und allen kleinformatigen Reparaturversuchen eine Absage zu erteilen. Für
vertiefende Informationen und einen Meinungsaustausch stehen wir natürlich
gerne zur Verfügung (nikolaus.hamann at gmx.at).
Freundliche Grüße
Nikolaus Hamann
Maria Binder
Ulrike Retschitzegger
KoordinatorInnen des Arbeitskreises
kritischer Bibliothekarinnen
und Bibliothekare
Stillfried, 23.06.2012
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